Composer in Residence

Stefan Schäfer – Composer in Residence am KON

Mit Stefan Schäfer erhält das Hamburger Konservatorium einen Composer in Residence. Die Vorfreude auf die Musik.Werk.Stadt setzt er Musik um: anlässlich des Neubaus im Quartier Kolbenhöfe entsteht ein klingender Countdown mit 10 Uraufführungen.

Stefan Schäfer ist Solokontrabassist im Philharmonischen Staatsorchester Hamburg, Komponist, seit 1995 Dozent am Hamburger Konservatorium und ein im In- und Ausland gefragter Wettbewerbsjuror. Als Komponist hat Stefan Schäfer zahlreiche Kompositionen für sein Instrument geschrieben, die inzwischen auf der ganzen Welt zur Aufführung gelangen. Bis 2024 ist er Composer in Residence des Hamburger Konservatoriums.

Der musikalische Countdown soll die Vorfreude auf den Einzug in die Musik.Werk.Stadt steigern. Dabei habe ich bewusst unterschiedliche Kompositionen und Projekte ausgewählt, die in meinen Augen für die Vielfalt des neuen Gebäudes stehen werden: Musikalische Bildung von Kleinkindesbeinen an bis ins hohe Alter und akademische Ausbildung mit vielfältigen Perspektiven. Die Musik.Werk.Stadt wird ein Ort, an dem Musik gelebt wird!

Stefan Schäfer

Mit der Grundsteinlegung am 22.06.2022 wurde der Countdown angestoßen. Sein Zyklus „Für Städtebewohner“ nach Texten von Bertolt Brecht wurde vor der Kulisse der historischen Kolbenwerk-Gebäude, die später in den Neubau integriert werden, aufgeführt. Interpretiert wurden die 5 Sätze des Werkes – Die Städte, Die Gäste, Über das Misstrauen des Einzelnen, Immer wieder und Behauptungen – von Mark Bruce, Sprecher, und Lin Chen, Schlagwerk.

Die „Urban Landscapes“ – der zweite Teil des Countdowns – wurden am 02.07.22 vom Elbphilharmonie Publikumsorchester im Großen Saal der Elbphilharmonie uraufgeführt.

Die Idee für den Zyklus stammt von Kent Nagano, Hamburgischer Generalmusikdirektor und Chefdirigent des Philharmonischen Staatsorchesters. Dieser war von der Idee beseelt, auf Orchestertourneen etwas von Hamburg in die Welt hinauszutragen und von der Stadt zu erzählen: Musik aus Hamburg über Hamburger Lieblingsorte, komponiert von einem Hamburger und besser noch, von einem Kollegen aus dem eigenen Orchester.

Die „Urban Landscapes“ stellen in diesem Sinne eine Hommage an besondere Orte in Hamburg dar: „Blue Port“, „Fairy Lake“ und „Magic District“ erzählen vom Hamburger Hafen in mystischem Blau, von einer Gondelfahrt über die Alster und einem Streifzug über St. Pauli.

Am 26.02.2023 wurden die „Sternenlieder“ von Studierenden der Akademie im Goßlerhaus aufgeführt. Dem Konzert ging ein Meisterkurs mit der Kammersängerin Gabriele Rossmanith voraus.

In allen literarischen Epochen haben Dichterinnen und Dichter immer wieder „die Sterne“ zum Thema gemacht. In den 12 Sternenliedern des Zyklus hat Stefan Schäfer Texte aus mehreren Jahrhunderten ausgewählt, die alle ähnliche Inhalte zum Ausdruck bringen – allerdings in unterschiedlichen Sprachstilen. Die Texte stammen z.B. von Karoline Gründerode oder Mascha Kaleko oder Altmeistern wie Johann Wolfgang von Goethe, Matthias Claudius oder Gottfried Keller – oder von einem bisher eher wenig bekannten Markus Bomhard (*1971).

In den Gedichten haben Stefan Schäfer insbesondere die Aspekte Sehnsucht, Fernweh, Traum, Nacht, Herzschmerz, das Geheimnisvolle, Mysteriöse, Hinwendung zur Natur und Weltflucht fasziniert.

Für Jugend musiziert hat Stefan Schäfer ein neues Duo für Violoncello und Kontrabass mit dem Titel Robin Goodfellow komponiert. Inspiriert durch die Rolle des Pucks aus Shakespeares Sommernachtstraum schildert das Scherzo eine abenteuerliche Szene des schlitzohrigen Elfen und Hofnarren aus Shakespeares Komödie.

Mit der Uraufführung von Robin Goodfellow überzeugten Laura Frank Biondi am Kontrabass und ihre Duopartnerin Mari Hönig am Violoncello beim Landeswettbewerb im März 2023 in der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Laura Frank Biondi und Mari Hönig sind Stipendiatinnen in der Begabtenförderung der Hans-Kauffmann-Stiftung und erspielten beim diesjährigen Bundeswettbewerb Jugend musiziert einen 3. Bundespreis. Darüber hinaus hat das Duo Cello-Kontrabass für die Aufführung von Stefan Schäfers Werk Robin Goodfellow den Hans-Sikorski-Gedächtnispreis erhalten. Dieser Preis wird für die beste Interpretation eines Werkes eines noch lebenden Komponisten vergeben.

https://jumu-hamburg.de/wettbewerb/sonderpreise.html

Im Goßlerhaus fand am 17. September 2023 das Konzert Gegen das Vergessen – an die Hoffnung! in der Reihe Gesprächskonzerte in Kooperation mit dem Verein kammermusik heute e.V. statt. Die Musiker des Ensemble Acht begeisterten in unterschiedlicher Besetzung den vollbesetzten Saal mit den Kammermusikwerken des Komponisten und Kontrabassisten Stefan Schäfer.

Die Kompositionen in der ersten Hälfte des Konzerts sind von gesellschaftspolitischen Themen beeinflusst. So begegnete Stefan Schäfers erstes Stück Kriegslied den Zuhörern mit ernst gesprochenen Worten, begleitet von überwiegend heftigen und vereinzelt zarten Trommelschlägen. Das aus der Feder des Hamburger Dichters Matthias Claudius (1740-1815) stammende Gedicht „Kriegslied“ entstand im Jahr 1778. Darin bezieht Claudius Stellung gegen den Krieg und beschreibt ihn als grausam und leidvoll. Mit Stefan Schäfers uraufgeführter Vertonung hinterlässt dieses Lied im Kontext des Zeitgeschehens einen bitteren Beigeschmack.

Mit der Komposition Yamaga versetzt Schäfer sein Publikum in eine beinahe meditative Stimmung. Yamaga ist der Name einer kleinen japanischen Stadt in der Präfektur Kumamoto, die regelmäßig von Naturkatastrophen heimgesucht wird. Die Einstellung der dort lebenden Menschen, Unabwendbares anzunehmen sowie der unverwüstliche Wille zum Wiederaufbau, hat bei Stefan Schäfer auf einer Japanreise einen starken Eindruck hinterlassen und inspirierte ihn im Frühjahr 2020 während des Lockdowns zu dieser Komposition. Auf Kent Naganos Wunsch erklang die Uraufführung von Yamaga in einer Fassung für Solovioline und Streichorchester. Beim Konzert im Goßlerhaus wurde erstmals eine Fassung für eine Triobesetzung mit Violine, Violoncello und Vibraphon aufgeführt.  

Mit dem darauffolgenden Klagegesang, der den polnischen Titel Lament trägt, zitiert Schäfer eine Melodie, die Ende des 19. Jahrhunderts in der Großen Synagoge von Warschau gesungen wurde. Die Synagoge steht längst nicht mehr, sie wurde 1943 zerstört. Die Melodie aber erklingt weiter. Stefan Schäfer hat dieses Stück für eine ungewöhnliche Besetzung mit Viola, Kontrabass und Akkordeon komponiert. Besonders eindringlich und berührend sind die tonlosen Blasebalg-Geräusche des Akkordeons, die den menschlichen Atem versinnbildlichen.

Als Ausgangspunkt für die nun folgenden Himmelsmoor-Kompositionen dienten Stefan Schäfer die Memoiren Les maillons de la chaine (Die Glieder einer Kette) von Henri Goldstein, einem Häftling in einem Arbeitslager im Quickborner Hochmoor. Schäfer möchte mit seinem musikalischen Beitrag die Erinnerung an das Schicksal von Henri Goldstein und anderer bewahren und gegen das Vergessen spielen. 

In den Kompositionen der zweiten Hälfte des Konzerts schwingt mehr Leichtigkeit mit. Mit der Uraufführung von Paul Maars Gedicht Da stimmt was nicht durchbricht Stefan Schäfer die kontemplative Stimmung und bringt das Publikum zum Schmunzeln und Lachen. Wunderbar stimmungsvoll ist dabei die Verbindung von Wortwitz und begleitenden Kontrabasstönen. Stefan Schäfer tritt hier als sprechender Kontrabassist in Erscheinung und hat aus Paul Maars Gedichtsammlung „Jaguar und Neinguar“ sieben Gedichte vertont.

Das Konzert endet in hoffnungsvoller Stimmung mit dem Werk Soltane, einem bereits 2007 im Jenisch Haus uraufgeführten Streichquintett. Der Titel bezieht sich auf den Inhalt des mittelalterlichen Versepos Parzival, nicht aber auf Wagners Oper Parzifal. Soltane ist darin ein einsam gelegenes Gehöft, umgeben von hohen Bergen und tiefen Wäldern, auf dem Parzival behütet aufwächst. Die Vorstellung, in einer unberührten und friedlichen Umgebung, in Unschuld und mit der Leichtigkeit der Unwissenheit aufzuwachsen, gab Stefan Schäfer den Impuls für diese Komposition. Die ‚instrumentalen Begegnungen‘ sind mal rhythmisch spannungsreich und dann wieder zart verschmelzend.

Das Ensemble Acht beeindruckt durch die große Vertrautheit im Zusammenspiel und macht die vielfältigen Kompositionen durch ihre nuancenreiche Interpretation zu einem wunderbaren Klangerlebnis.

Das Konzert Tieftöner Spezial wurde in Zusammenarbeit mit HanseBass e.V. am 18. November 2023 im Saal des Hamburger Konservatoriums veranstaltet.

Bei diesem aktuellen Konzert aus der Tieftöner-Reihe fanden sich 23 Kontrabassist*innen in Sülldorf ein, um Ensemblewerke von Stefan Schäfer, Kontrabassist und Composer in Residence des Hamburger Konservatoriums, zu spielen. Einzigartig war die Zusammensetzung der Mitwirkenden, denn hier musizierten Kontrabassist*innen der Klasse von Stefan Schäfer, des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg und der Staatskapelle Schwerin mit Nachwuchs-Kontrabassist*innen aus ganz Norddeutschland zusammen. 

Der Leitgedanke des Hamburger Konservatoriums, die Liebe zur Musik zu fördern und eine große künstlerische Bandbreite zusammenzubringen, wurde durch dieses Konzert eindrucksvoll in die Tat umgesetzt. Die Vielfältigkeit von Stefan Schäfers Kompositionen zeigte sich im Spektrum der 15 hier präsentierten Stücke, dass klassische Salonstücke ebenso enthielt, wie Werke mit Einflüssen aus dem Jazz oder der Populärmusik.

Ein besonderer Höhepunkt dieses Konzerts war die Uraufführung des zweiten Bandes aus der Trio-Sammlung „Talks & Tales“ durch Yannick Adams Kroon, Jim Thomas und Felix von Werder. Ein herzliches Dankeschön an alle Mitwirkenden! 

Foto: @herrschick.de


Die ersten sechs Uraufführungen bieten einen Eindruck des vielfältig gestalteten Countdowns, der noch einige weitere Überraschungen bereithält. 


Nächster Countdown

Der nächste Termin folgt bald!